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Die Foto-Challenge

»Das Equipment, welches wir gebrauchen, spielt nur eine kleine Rolle. Vielmehr kommt es darauf an, es zu beherrschen.«
– Sam Abell

IRRSINN

Sehr viele Knöpfe, noch mehr Funktionen und Handbücher, die nur noch als PDF mitgeliefert werden, weil sie sonst den Gelben Seiten in ihrem Umfang Paroli bieten würden. Moderne Kameras können durchaus eine abschreckende Wirkung haben.

Wohl dem, der sich die Reduktion auf das Wesentliche in Form einer Kamera des deutschen Traditionsherstellers Leica leisten kann. Oder möchte. Wer aber wie ich für sein Geld arbeiten und davon auch leben muss, greift schon fast gezwungenermaßen zu einem in Japan konzipierten Kameramodell, egal ob nun von Sony, Pentax, Canon, Nikon, Fuji, Olympus oder Panasonic. Die Dinger können einiges.

Im Gegensatz zu vielen Nutzern.

DER TEUFEL DES DETAILS

Die Kamera sollte genau eine einzige Rolle in der Fotografie spielen: Der Fotograf muss in der Lage sein, den Moment so einzufangen, wie er ihn sieht. Sie ist nur ein Medium, ein Mittel zum Zweck.

Ganz häufig – so meine Erfahrung aus unzähligen Workshops – ist die Kamera jedoch eine zusätzliche Hürde, die zwischen der Bildidee und dem Resultat steht. Und sie ist keine kleine Hürde.

In dem Moment, in dem die Kamera dem Fotografen im Weg steht, hat sie für mein Verständnis von Fotografie auf ganzer Linie versagt. Die Auffassung der meisten Nutzer ist dahingehend allerdings eher schizophren. Schmeckt uns das Essen im Restaurant nicht, geben wir dem Essen – oder dem Koch – die Schuld. Kommen wir mit der Bedienung einer Kamera nicht zurecht, dreht sich das Spiel um 180 Grad.

Wir sind zu doof.

Wirklich? Berufsbedingt kenne ich viele Kameras, und manche Bedienungsentscheidung kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Da werden auf Seite vierzehn eines Untermenüs, dessen Hauptmenü schon fürchterlich verschachtelt ist, absolut essentielle Belichtungsfunktionen versteckt. Bahnbrechende Einstellungen wie Datum und Uhrzeit sind dafür sehr präsent und leicht auffindbar. Pardon my french, but what the fuck?

Auch sehr schön: Das Kombinieren verschiedener Eingaben mit dem gleichen Bedienteil. Da wird ein Rädchen gerne mal mit einem Knöpchen gepaart, damit der nicht ganz so feinfühlig agierende Nutzer möglichst häufig spontan die völlig falsche Einstellung verändert. Bravo, eine Meisterleistung des Ingenieurswesens, aber sicherlich nicht das Konzept eines Fotografen.

Solche Dinge können eben schnell passieren, wenn ein Unternehmen gleichzeitig Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräte und Kameras auf den Markt rülpst. Mit Fotografie hat das dann leider ganz wenig zu tun.

ALSO DOCH LEICA?

Bevor jetzt jemand den Sparstrumpf um mehrere tausend Euro erleichtert, erstmal ganz entspannt bleiben. Ich nehme nämlich an, wenn Du das hier liest, ist die Entscheidung über das Kamerasystem bereits getroffen und bezahlt worden. Und ich werde einen Teufel tun und jetzt zu einem Systemwechsel raten. Ich bin ja selbst nicht Krösus.

Wenn Du merkst, dass sich Deine Kamera manchmal wie ein Fremdkörper anfühlt, wird es Zeit, Deine Kamera und die für Dich wichtigen Funktionen kennenzulernen. Besser formuliert:

Du musst die Bedienung Deiner Kamera verinnerlichen. Nur so steht sie Dir nicht im Weg, sondern unterstützt Deine Bildersprache und wird zu dem Werkzeug, das Du Dir bereits bei der Anschaffung erhofft hast.

Über das Fundament – also Blende, Belichtungszeit und ISO – brauche ich hier nichts schreiben, diese Belichtungs-Basics sind ja absolute Grundvoraussetzung. Es geht darum, die Anordnung der Bedienelemente zu verinnerlichen, und mit Hilfe der vielen kleinen Features im passenden Moment schnell die Entscheidung über die richtigen Einstellungen treffen zu können.

Eigentlich solltest Du Dich immer nur auf Dein Motiv konzentrieren. Der Umgang mit Deiner Kamera muss zu einem Automatismus werden. Nur dann werden Deine Fotos auch so, wie Du sie Dir vorstellst.

Zum Vergleich: Ein Pianist, der beim Spielen auf die Klaviatur schauen und sich überlegen muss, aus welchen Tönen sich wohl der nächste Akkord zusammensetzt, rockt wohl besser noch eine Zeit lang mit Kopfhörern das heimische Wohnzimmer, aber nicht das städtische Opernhaus.

Just sayin’.

LEICHTER GESAGT ALS GETAN

Wenn ich in Osnabrück im Rahmen eines Grundlagen-Workshops fünf Stunden lang versuche, zwölf Teilnehmern fotografieren beizubringen, ist das eigentlich ein unmögliches Unterfangen. Bewusst fokussieren, Blende, Zeit und ISO kontrolliert einsetzen, gegebenenfalls den Blitz clever einstellen, den Bildaufbau vor der Aufnahme beurteilen… ich weiß schon nicht mehr, wie oft ich gehört habe, dass man sich das doch gar nicht alles merken könne.

Zugegeben, das war jetzt echt keine Werbung für meine Workshops. Zur Beruhigung: Es gibt am Ende Unterlagen mit allen Inhalten der Veranstaltung. Merken kann sich das nämlich wirklich niemand.

Es geht aber auch gar nicht darum, sich das alles zu merken, das muss in Fleisch und Blut übergehen. Und genau das kann kein Workshop der Welt leisten: Der Vorgang des Fotografierens muss zur Routine werden.

Und Routine ist Übung. Und Übung. Und Übung.

Und damit kommen wir zum eigentlichen Kern meines Beitrags.

STELL DIR DEINE EIGENE AUFGABE

Nachdem ich privat auf eine neue Kamera umgestiegen bin, die – wir erinnern uns: wie alle japanischen Kameras – mit einer sehr umfangreichen Palette an digitalen Tricks angereichert wurde, musste ich mit dieser Kamera warm werden.

Meine Idee: Eine Art Analog-Challenge. Ich wollte die Kamera mit all ihren Funktionen intensiv und – viel bedeutender – bewusst nutzen. Ich steckte zu dem Zeitpunkt in einer von der graphischen Fotografie geprägten Schaffensphase, hatte also eher Formen und Kontraste im Hinterkopf, anstatt Bilder machen zu wollen, die Geschichten erzählen.

Was genau war jetzt aber meine Challenge? Sie bestand aus drei simplen Regeln, die es jedoch in sich hatten:

Nur eine Auslösung für jedes Motiv, ausschließlich JPEG, keine nachträglichen Korrekturen.

Mit diesem Regelwerk zog ich an drei Nachmittagen durch Osnabrück. Anfangs musste ich wirklich lange an der Kamera herumdoktern, bis ich für mich stimmige Einstellungen vorgenommen hatte, aber mit jedem Motiv klappten die notwendigen Vorwahlen besser und vor allem schneller.

Bereits am dritten Tag merkte ich, wie ich automatisch die passende Knöpfe, Rädchen und Hebel betätigte, ohne vorher großartig darüber nachzudenken. Und genau das wollte ich ja erreichen.

Hier ein paar Ergebnisse als Beispiel.

Ein farbloser Kopf.

Der Kreuzgang am Dom.

Ein Haus in schräg.

Bewegung.

EIN GUTER RAT

Mach’s in Ruhe und nimm Dir Zeit. Jaja, ich weiß, wir haben alle viel um die Ohren. Aber ich gehe davon aus, dass Du kein kleines Sümmchen in ein brauchbares Kamerasystem investiert hast. Dann sollen Deine Fotos doch auch gut werden – und das kann die Kamera eben nicht von alleine.

Setze Dich nicht dem Stress aus, es anderen Recht machen zu müssen, sondern mach Dein Ding. Das bedeutet, dass Du nicht auf dem 80. Geburtstag Deiner Großmutter übst, sondern für Dich überlegst, was Du fotografieren möchtest und das dann ganz allein und in Ruhe umsetzt.

Sicher, fotografieren macht in Gruppen auch immens viel Spaß. Aber nur, wenn Du Dich auf Dein Schaffen konzentrieren und bewusst einlassen kannst, findest Du auch die Muße, Deine Kamera mit all ihren Eigenheiten besser zu verstehen.

Und wenn die Kamera dann nur noch ein Werkzeug ist, das Du blind bedienen kannst und Dich in Deinem kreativen Schaffen bestärkt und nicht mehr einschränkt, bist Du angekommen.

Genieße das, so lange es anhält. Denn es wird nicht lange dauern, bis Du den Nachfolger ins Auge fasst. Und der bedient sich dann doch wieder ganz anders.