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Profi-Fotograf Andreas Gerth im Interview

Mit der Kamera durch die Schweiz, mit der Fantasie durch Mittelerde. Wir sprechen mit Fotograf Andreas Gerth über seinen neuen Bildband „Auenland und Düsterwald.

Mittelerde ist der Schauplatz einer der größten Heldensagen unserer Zeit: Herr der Ringe. Das Epos, das J.R.R. Tolkien über Jahre erschaffen hat, begleitete schon viele Generationen und wird es noch lange tun. Dabei ist die Welt viel mehr als nur die Bühne für Abenteuer. Sie ist selbst Teil der Geschichte, sie ist Magie, sie ist in uns allen und sie ist: in der Schweiz. Nachdem J.R.R. Tolkien vor Jahren selbst die Schweiz bereiste und sich inspirierte, ist Profifotograf Andreas Gerth jetzt mit seiner Kamera durch das Land gezogen und zeigt uns in seinem neuen Bildband die Landschaft, die Mittelerde überhaupt erst entstehen ließ.

Auenland und Düsterwald
Eine fotografische Reise inspiriert von Tolkiens Legenden von Andreas Gerth &
Frank Weinreich, 224 Seiten
mit circa 220 Abbildungen,
Format 26,8 x 28,9 cm,
Hardcover mit Schutzumschlag,
ISBN: 9783954163632
Frederking & Thaler Verlag

Andreas Gerth im Interview

Wollen Sie Ihr Projekt kurz vorstellen?

Die Landschaften Neuseelands sind durch die Filme „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ zum Inbegriff für Mittelerde geworden. Doch Tolkiens Welt entsteht durch unsere Vorstellungskraft und kann überall gefunden werden. Deshalb ging ich auf die Suche nach meiner ganz persönlichen Version von Mittelerde. „Mittelerde ist überall – sie existiert dort, wo Fantasie und Wirklichkeit aufeinandertreffen“ – dies war mein Grundgedanke für dieses Projekt. Ich musste also in diese Fantasiewelt eintauchen und sie mir zu eigen machen. Dadurch war es möglich, reale Landschaften Teil meiner Vorstellung werden zu lassen. Das Buch ist der Versuch, meine persönliche Vision der fiktiven Landschaften von Mittelerde in der realen Welt zu finden und abzubilden.

Sie haben die Schweiz schon einige Male als Fotomotiv genutzt. Wie entstand die Idee, Mittelerde dort zu suchen?

Ich bin der Ansicht, dass Mittelerde überall zu finden ist und daher war es völlig klar, dass ich diese Welt in meiner unmittelbaren Umgebung suchen wollte. Ich wollte diese Herausforderung annehmen und meine Vorstellungen in einem begrenzten Gebiet fotografisch umsetzen. Natürlich kam mir entgegen, dass ich die Schweiz sehr gut kenne und daher wusste, in welchen Landesteilen ich verschiedene Landschaften finden werde. Außerdem wollte ich nicht allgemein bekannte Vorstellungen aus den Filmen reproduzieren, sondern eine eigene Mittelerde-Welt erschaffen.

Albulapass

ALBULAPASS: Liegt diese Landschaft nun in der Schweiz oder an der Grenze zwischen Rohan und Gondor?(Foto: Andreas: Gerth)

Im Buch erwähnen Sie, dass der Autor J.R.R. Tolkien sich selbst bei einer Reise durch die Schweiz inspirieren ließ. Wie haben Sie von dieser Reise erfahren?

Es gibt verschiedene Bücher, in denen dieser Umstand erwähnt wird. Aber auch im Internet findet man viele Artikel zu seiner Reise durch die Schweiz.

Mit der Landschaft vor Augen und der Geschichte im Kopf – steckt da auch eine persönliche Heldenreise dahinter?

Zu Beginn der Arbeit am Buch war dieser Gedanke nicht präsent. Als ich mich dann stärker mit der Struktur des Buches auseinandersetzte, und sich die Heldenreise schließlich als roter Faden durch das ganze Werk manifestierte, erkannte ich schon gewisse Elemente meines Tuns, die der Heldenreise ähnlich waren. Rückblickend hat der Weg, den ich gegangen bin, von der Idee bis zur Fertigstellung des Buches, eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Heldenreise, da einige Kernelemente vorkommen: Aufbruch, Gefährten, Prüfungen, Lohn. Aber ich möchte diesem Umstand nicht zu viel Beachtung schenken.

Waren Sie immer allein unterwegs?

Meine Tochter begleitete mich oft beim Location-Scouting. Sie ist gerne unterwegs und so spürten wir gemeinsam etliche verborgene Orte auf. Für die Aufnahmen selber war ich anschließend alleine unterwegs. Es war für mich wichtig, mich auf das Motiv einlassen zu können und daher konnte ich keine Ablenkung zulassen.

Nebelgebirge

NEBELGEBIRGE: Die Heimat der Zwergenbingen und die Brutstätte gefährlicher Orks. Auch Gollum schlich hier umher. (Foto: Andreas: Gerth)

Wie lange hat Sie das Projekt insgesamt beschäftigt und wie lange waren Sie unterwegs?

Die ersten Ideen für ein solches Projekt kamen mir 2019. Fotografisch beschäftigte ich mich zweieinhalb Jahre mit dem Thema. Einerseits war die Recherche der Orte ziemlich aufwändig, andererseits besuchte ich die Locations oft mehrmals, bis ich die erwünschten Bedingungen vorfand. Auch beschäftigte ich mich intensiv mit Tolkien und der Mittelerde an sich, sodass ich völlig im Thema „eingetaucht“ war.

An wen richtet sich der Bildband?

Als Zielgruppe für dieses Buch sehe ich in erster Linie die Liebhaber von Tolkiens Werken. Durch die Filme und die neue Amazon-Serie ist diese Fan-Gemeinde stetig gewachsen. Daneben ist das Buch auch Ansporn und Inspiration für Fotografen, die ihre eigene Mittelerde erforschen möchten. Und zu guter Letzt ist es natürlich für alle, die gerne Landschaftsbilder genießen.

Auf vielen Bildern verzichten Sie auf einen Himmel. Gibt es dafür einen speziellen Grund?

Die Schweiz ist kein weites Land mit unberührter Natur bis zum Horizont. Ich musste daher bei der Auswahl der Bildausschnitte immer sehr selektiv vorgehen. Ich versuchte daher, die Bildinhalte äußerst konzentriert wiederzugeben. Deshalb verzichtete ich oft auf den Himmel, da er für die Bildaussage nicht relevant gewesen wäre. Je weiter der Bildausschnitt gewählt wird, desto größer ist die Gefahr, Zivilisationsmerkmale des 21. Jahrhunderts im Bild zu haben, wie Siedlungen, Straßen oder Stromleitungen. Dies wollte ich natürlich vermeiden.

Landschaftsbild

HIRZEL UND WIEDER ZURÜCK: Kein Bild weckt mehr Mittelerde in uns als der Gedanke an das friedliche und gemütliche Auenland. (Foto: Andreas: Gerth)

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Frank Weinreich?

Ich hatte im Internet nach Autoren von Fantasy-Literatur und Tolkien-Spezialisten gesucht. Bei meinen Recherchen stieß ich auf Frank Weinreich und kontaktierte ihn. Da ihn mein Projekt überzeugte, willigte er sofort ein. Für mich war es natürlich ein Glücksfall, dass ich diesen renommierten Tolkien-Experten für das Buch gewinnen konnte.

Buch oder Film? Welche Version der Geschichte bevorzugen Sie?

Für meinen Bildband waren ganz klar die Bücher wichtiger, da ich durch sie meiner Fantasie freien Lauf lassen konnte. Die Filme sind dennoch gute Unterhaltung.

Hat Sie das Mittelerde aus dem Kino bei Ihrer Arbeit abgelenkt?

Nein, die Filme hatten keinen großen Einfluss auf meine Arbeit. Erstens befinden sich die Landschaften in einem anderen Land und etliche Elemente waren computergeneriert, also in Wirklichkeit nicht vorhanden. Ich aber musste aus der vorhandenen Landschaft meine Mittelerde kreieren.

FELSENTOR AM VAL AGNEL

FELSENTOR AM VAL AGNEL: Was schon klingt wie der Eingang in Saurons Reich ist wirklich ein Bergpass im Kanton Graubünden. (Foto: Andreas: Gerth)

Mit welcher Kamera arbeiten Sie?

Ich fotografiere mit einer Canon EOS 5Ds. Für manche Aufnahmen benutzte ich auch die Drohne DJI Mavic 2 Pro.

Was befindet sich sonst noch in Ihrer Kameratasche?

Nebst den Objektiven sind noch Polfilter, Verlaufsfilter, Fernauslöser, ein Reinigungstuch, eine Stirnlampe, viele Ersatzakkus und Speicherkarten in der Tasche. Ich bin immer mit einer bescheidenen Ausrüstung und einem wirklich kleinen Fotorucksack unterwegs. Das Nötigste ist so immer dabei und es schont den Rücken. Da ich ausschließlich mit Stativ fotografiere, ist dieses Teil natürlich auch bei jedem Fotoausflug mit dabei.

Welches Objektiv/welche Brennweite nutzen Sie am meisten?

Ich arbeite mit Objektiven von Canon: 11–24 mm, 24–70 mm, 70–300 mm. Für das Buch benutzte ich alle Objektive, am häufigsten kam wohl das Standard-Zoomobjektiv 24–70 mm zum Einsatz.

Warum?

Die meisten Motive konnte ich damit gut aufnehmen. Zudem ist das 11–24 mm vom Durchmesser her zu groß für mein Filtersystem (Pol- und Verlaufsfilter).

Elbenpfad

ELBENPFAD: Mystische Gewässer in uralten Wäldern voller Magie und Zauber. Lothlórien ist in Aarberg.(Foto: Andreas: Gerth)

Kam für den Bildband Ausrüstung zum Einsatz, die Sie normalerweise nicht nutzen?

Nein. Allerdings arbeitete ich mit einer anderen Aufnahme- und Bearbeitungstechnik als ich das üblicherweise tue.

Mit welcher und welche nutzen Sie für gewöhnlich bei Ihren Aufnahmen?

Der größte Unterschied ist, dass ich üblicherweise ein Motiv fotografiere, wie es sich mir präsentiert – also in dem Wetter und der Lichtstimmung, die ich vorfinde. Normalerweise reicht dann eine Einzelaufnahme, die ich anschließend ausgewogen bearbeite. Das heißt, ich erhöhe die Kontraste nicht zu stark, die Lichter und Tiefen werden gut aufeinander abgestimmt sowie eine ansprechende Farbsättigung genutzt. Bei den Fotos für das Buch hatte ich das fertige Bild schon vor der eigentlichen Aufnahme im Kopf. Ich musste dieses Bild nur noch mit der Kamera umsetzen und anschließend entsprechend bearbeiten.

Ich verzichtete bei der Bearbeitung gänzlich auf Dynamik und Sättigung, die Intensität erreichte ich durch die Gradation und die Kontraste. Ab und zu wurde noch ein Polfilter mittels Software verwendet, um die Sättigung zu erhöhen. Bei den Aufnahmen machte ich Belichtungsreihen von bis zu drei Blenden, um anschließend helle und dunkle Bilder miteinander zu verbinden. Ich wendete auch „Timeblending“ an und fotografierte das gleiche Motiv über einen längeren Zeitraum immer wieder. So konnte ich schließlich Licht, Nebel oder Wasser gezielter im Bild einsetzen.

Haben Sie schon ein neues Projekt, an dem Sie arbeiten und können Sie schon etwas darüber sagen?

Nach jedem größeren Projekt dauert es eine Weile, bis ich mich mit einem neuen auseinandersetze. Das heißt, im Moment fotografiere ich wieder vorwiegend, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Über den Fotografen
Andreas Gerth ist professioneller Landschafts- und Architekturfotograf und für zahlreiche renommierte Verlage und Firmen innerhalb und außerhalb der Schweiz tätig. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Basel Tourismus sowie die Schweizerische Post, für die er die aktuelle Briefmarkenserie „Flusslandschaften“ fotografiert.
www.andreasgerth.com
@andreas_gerth_photography