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Reportagefotograf Manolo Ty über „Das letzte Eis“

„Das letzte Eis“ – darum dreht sich das Projekt, das Fotograf Manolo Ty für das Klimahaus Bremerhaven begleiten und fotografieren durfte. Wir sprechen mit ihm über das Klima, seine Reise ins ewige Eis und zu schmelzenden Gletschern, die fotografischen Hürden und die schönsten Momente.

Um was geht es in deinem aktuellen Projekt „Das letzte Eis“?

Das Projekt ist die Fortsetzung zum Vorgängerprojekt „Nordsee – Südsee“. Diesmal waren wir für das Klimahaus Bremerhaven weiter auf dem achten Längengrad Ost unterwegs. Dabei vergleichen wir das Isenthal in der Schweiz und – ziemlich weit auf der anderen Seite der Welt – Alaska. Ziel dort war das Dorf Savoonga auf St. Lawrence Island, mitten in der Beringsee. Das sind zwei Regionen, die auf den ersten Blick nicht viel gemein haben. In der Schweiz waren wir sogar im Sommer, wenn die Gletscher am kleinsten sind. Doch wird das Aufwachsen immer weniger und das Schmelzen immer mehr. Das Problem mit dem schmelzenden Eis haben die Leute in Alaska auch.

Was war an den Reisezielen besonders, und was war dein Ziel?

In der Schweiz ist es so, dass die schmelzenden Gletscher auch in der Zukunft das Bild der Landschaft verändern werden. Wir kennen die grünen Alpenwiesen, die Almen, wo friedlich Kühe grasen. Wenn das so weiter geht, kann man nicht sagen, ob daraus nicht bald Wüsten werden, wie man sie aus dem Himalaya kennt.

Denn diese grünen Alpenwiesen werden im Sommer durch das Gletscherwasser gespeist. Und vor ein paar Jahren gab es schon einmal die Situation, dass die Menschen Wasser im Sommer aus dem Tal hochkarren mussten, um die Tiere mit Wasser zu versorgen. Ein skurriler Gedanke. Der Alpenraum ist direkt bei uns, und gerade in der Region, wo wir waren, erhitzt sich dieser doppelt so schnell wie der Rest der Welt. Wir sprechen dort nicht mehr von den 1,5 Grad, sondern eher von einer Erwärmung von mehr als drei Grad.

In Alaska waren wir im Winter, der dieses Jahr relativ schneereich war. Dort ist es so kalt, dass das Meer gefriert. Das muss man sich vorstellen: gefrorene Wellen, hochgeschobenes Eis, so weit man gucken kann. Auf den ersten Blick ist der eine Ort sehr grün dominiert, der andere blauweiß. Doch durch das schmelzende Eis ändern sich die Lebensräume extrem. Wir wollten zeigen, wie die Menschen dort leben, einen Einblick in ihre Kultur geben und darstellen, wie sie mit den Veränderungen umgehen.

Bärtiger Mann am Fenster
Paul Kudla: In Nome nennen ihn alle nur Santa Paul, da er 2015 zum besten Weihnachtsmann-Double der USA gekürt wurde. In Nome arbeitet er auf dem Friedhof.

Wie groß war das Team für das Projekt?

Wir waren wieder fünf Leute: die Reisejournalistin Anne Steinbach, die auch das Buch geschrieben hat, dann war der Filmemacher Alessandro Rovere mit dabei sowie Arne Dunker, der CEO vom Klimahaus, und Axel Werner, der als Protagonist im Klimahaus durch die Ausstellung führt. Er war auch bei den ersten Reisen dabei, als das Klimahaus vor Jahren bereits einmal bei den Leuten in Alaska und in der Schweiz war.

Wann war das Klimahaus das erste Mal bei den Familien?

Das erste Mal vor 19 Jahren. Das Klimahaus eröffnete 2009, aber für die Recherche war man schon vorher in der Schweiz. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, die gleichen Orte wieder zu besuchen, um zu schauen, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Klimawandel ist immer schwer darzustellen, aber wenn man eine Zeitperspektive hat, gibt das einen nachvollziehbaren Kontext.

Habt ihr die Personen von damals alle wieder treffen können?

In Alaska mussten wir auf Savoonga, die einzige andere Siedlung auf St. Lawrence Island, ausweichen. Das ehemalig besuchte Dorf Gambell war leider noch nicht bereit, Besuch von außerhalb zu empfangen. Und das mussten wir dann akzeptieren. Dort in der Region herrschten die strengsten Corona-Regelungen in den ganzen USA. Das geht auf die letzte Epidemie vor etwa 100 Jahren zurück, als dort drei Viertel der Bevölkerung gestorben oder abgewandert sind. Deshalb haben sie jetzt niemanden reingelassen. Wir waren die ersten Leute aus dem Ausland, die St. Lawrence Island wieder betreten durften.

Da war viel Verhandlungsarbeit notwendig. Ich habe vorab sehr viele Gespräche mit dem Stammesrat, den indigenen Behörden und vielen anderen Leuten geführt, um die Erlaubnis einzuholen, dorthin zu dürfen. Sie müssen wissen, die St. Lawrence Island Yupik sind ein indigenes Volk, die auch über ihr Land selbst bestimmen. Da kann man nicht einfach so hinfahren.

Die Erlaubnis hast du bekommen.

Ja, auch wenn das bis zuletzt auf der Kippe stand – auch wegen Corona. Eigentlich wollten wir sogar schon vergangenes Jahr dorthin reisen. Aber da sich die Situation vor Ort nicht besserte, wurde das immer wieder verschoben. Die Erlaubnis hatten wir erst in der letzten Minute bekommen. So knapp, dass ich, als ich aus Alaska wiederkam, genau zwei Wochen Zeit hatte, alle Bilder für das Projekt abzugeben.

Zum Glück hatten wir den Teil von der Schweiz schon im vorherigen Sommer fertigstellen können. Aber es war ein Risiko. Man weiß schließlich nie, was einen erwartet, wenn man an einen Ort reist, an dem man noch nie war. Zudem weiß man nie, wie die Leute reagieren. Ich kann nicht einfach mit der Kamera Leute fotografieren. Zunächst muss ich Zeit mit ihnen verbringen, Vertrauen aufbauen und ihr Einverständnis einholen.

Luftaufnahme Schweizer Alpen
Mit der Gemeinde Isenthal in der Schweiz steht das Klimahaus Bremerhaven in einer engen Beziehung.

War das schwierig, Leute zu finden, die fotografiert werden wollen?

Die Yupik sind sehr skeptisch gegenüber Leuten, die von außen kommen. Den Grund findet man in ihrer Geschichte: Lange Zeit wurden sie in Amerika nicht einmal als Menschen angesehen. Zudem leben sie auf einem Landstrich, den die USA einmal von Russland abgekauft haben. Wenn jemand von außen kam, dann waren das Walfänger oder Goldsucher. Ihnen wurde immer etwas genommen und nie etwas gegeben. Sie waren in der jüngeren Geschichte immer die Verlierer. Das merkt man immer noch an ihrem Verhalten Fremden gegenüber.

Wo hast du übernachtet?

Es hört sich nicht an, als ob es dort Hotels gab. Gibt es tatsächlich nicht. In Savoonga gibt es aber eine Unterkunft für die Wissenschaftler, die dort hinkommen. Sie haben ein Krankenhaus umfunktioniert, wo unser Team auf Stockbetten übernachten konnte. Sehr einfach, aber warm.

Ihre Reiseziele waren dieses Mal deutlich kälter als in Ihrem letzten Projekt. Gab es Hürden?

Für Alaska brauchten wir erstmal richtig warme Kleidung. Da sind Temperaturen bis minus 40 Grad Celsius keine Seltenheit. Durch den „Wind-Chill“-Faktor kamen auch bis zu minus 60 Grad Celsius vor. Da kommt man mit unseren Winterjacken nicht weit. Wir hatten von Globetrotter glücklicherweise ein Sponsoring erhalten, sonst wäre das ziemlich teuer geworden. Für die Schweiz brauchten wir vor allem festes Schuhwerk.

Umiak Boot
Ein Umiak, das traditionelle Boot der Yupik, das mit Walrosshaut bezogen wird.

Und bei der Fotoausrüstung?

Da bin ich bei all meinen Projekten sehr minimalistisch unterwegs. Mit den spiegellosen Kameras ist man generell auch bei kaltem Wetter gut aufgestellt. Selbst bei minus 40 Grad Celsius hatte ich zu keinem Zeitpunkt Probleme mit der Technik. Was mich sogar wirklich erstaunt hat. Der Body meiner Kamera war draußen komplett eingefroren, hat aber zuverlässig funktioniert. Allerdings kann man draußen keine Objektive wechseln, da dort oft ein starker Wind geht und Schnee aufgewirbelt wird. Da heißt es, vorab einmal das richtige Objektiv zu wählen und dann bei diesem zu bleiben. Zumindest bis man wieder drinnen ist und alles wieder aufgewärmt ist.

Gab es Schwierigkeiten mit der Technik beim Wechsel von Kälte zu Wärme?

Interessanterweise hat auch das direkt funktioniert. Mein Trick: die Kamera in ein Behältnis legen, damit diese nicht beschlägt und Feuchtigkeit zieht. In meinem Fall war das die große Jackentasche. Ich hätte generell nicht gedacht, dass alles so gut funktioniert. Ich war darauf eingestellt, dass ich viele Ausfälle haben werde. Aber es gab keine.

BUCH-TIPP
DAS LETZTE EIS von Fotograf Manolo Ty, Autorin Anne Steinbach und dem Klimahaus Bremerhaven. Reisedepeschen Verlag, 192 Seiten, 25,9 x 19,5 cm, 32 Euro. ISBN: 978-3-96348-024-9


Welche Kamera hattest du dabei?

Die Sony Alpha 7R III. Die habe ich schon ein paar Jahre, und sie leistet zuverlässig ihren Dienst.

Und welche Objektive waren dabei?

Ich arbeite meistens mit meinen zwei Festbrennweiten, die meine Standardobjektive sind: das Sony FE 55mm F/1.8 Sonnar T und das Sigma 35mm f/2 DG DN. In dem Fall hatte ich zusätzlich noch ein Zoomobjektiv für das Eis dabei. Das war das Sony FE 70-200mm f2,8 GM OSS. Ein ziemlich großer Klopper. Dafür war ich so in der Kälte flexibel und konnte ein paar schöne Bilder vom Eis einfangen. Zusätzlich hatte ich auch noch eine Drohne mit in der Kameratasche – eine Mavic 2 Pro von DJI.

Beringsee - gefrorenes Wasser
Die gefrorene Beringsee ist eine unwirkliche und unbeschreiblich schöne Landschaft, findet Fotograf Manolo Ty.

Was war der schwierigste Moment?

Das größte, erste Scheitern war, dass ich erstmal nicht nach St. Lawrence Island gekommen bin. Ich war recht lange auf dem Festland in Nome. Das ist der letzte Ort, bevor man weiter nach St. Lawrence Island kommt. Der Ort ist so etwas wie der Versorgungshub der Region. Ein sehr skurriler Ort, dem man ein eigenes Buch widmen könnte. 50 Prozent der Leute sind Indigene – Yupik oder Inupiak.

Die andere Hälfte sind weiße Goldsucher, die am Tag das zwei Meter dicke Eis aufschneiden und mit Tauchanzügen unter das Eis tauchen und dort nach Gold schürfen. Am Abend sieht man sie im Saloon sitzen, wo sie trinken und nur über die Goldsuche reden. Die Yupik dagegen sprechen über die Jagd. Nome ist ein absolut abgelegener Ort, es gibt keine Straße, die dorthin führt, und er ist nur über die Luft mit dem Rest der Welt verbunden. Das bekannte Iditarod Hundeschlittenrennen kommt dort an.

Nach 1.700 Kilometern durch den Schnee, am Ende der Welt. Ich habe dort zwar super Bilder machen können, aber ich wollte keine Bilder von Nome, sondern von St. Lawrence Island – und ich bin da einfach nicht hingekommen, für Wochen. So musste ich in dem verschneiten, sehr teuren Ort ausharren.

Und was war der schönste Moment?

Das war auf dem Meereis, auf der gefrorenen Beringsee. Dort spazieren zu gehen und das Licht zu beobachten. Wenn die Sonne untergeht, verändert sich das Licht die ganze Zeit. Das Eis färbt sich dann in verschiedene Farben von Blau in Gelb in Rot. Die Landschaft dort ist einfach unbeschreiblich schön.

Profil Manolo Ty

Manolo Ty ist Reportagefotograf, Wahl-Berliner und hat mit seiner Kamera bereits über 100 Länder bereist. Seine Themen sind Völkerverständigung und der Klimawandel. Seine Arbeiten erschienen unter anderem bereits bei Spiegel Online, Stern, UNDP und wurden bei zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt.
Instagram: @manoloty
Webseite: www.manoloty.com